Eine Ode an die Einfachheit

Und an Coworking Spaces

(Dieser Artikel ist nur auf Deutsch verfügbar)

Präludium

Ich nutze seit einigen Jahren aus absoluter Überzeugung Coworking-Spaces. In dreien bin ich aktuell eingemietet und jeder unterscheidet sich im Aufbau und Konzept minimal von den anderen. Die Standorte sind bis zu knapp 100 km voneinander entfernt und Grundprinzip ist natürlich immer gleich: Man teilt sich mit anderen Ressourcen die man sich alleine nicht leisten könnte und tauscht sich untereinander aus. Jeder ist mit seinen eigenen Projekten beschäftigt aber man unterstützt sich dennoch gegenseitig.

Nun sind in einem Space nicht nur Einzelkämpfer eingemietet die Kaffeetrinkend versuchen das Leben zu bewältigen, sondern ernst zu nehmende Firmen mit mehreren Mitarbeitern. Das macht diese Orte für viele Menschen extrem Attraktiv.
Werksstudenten können hier Firmen finden die Ihnen einen Job in einem abwechslungsreichen Umfeld bieten. Wenn die Verträge auslaufen finden sie möglicherweise über den Space oder die dort geknüpften Kontakte gleich ihren neuen Arbeitgeber.
Die Firmen sparen kosten gegenüber selbst angemieteten Büroräumen. Freelancer erhalten eine Infrastruktur aus Arbeitsplatz, Meetingräumen, Schallschutz-Kabinen, Küche und vielem weiteren ohne dass sie ein ganzes Vermögen dafür investieren müssen da sie von allen Mitgliedern des Space mitfinanziert wird.

Ein schöner Ort um effektiv zu arbeiten, neue Kontakte zu knüpfen und auch nach außen gegenüber seinen Kunden professionell aufzutreten.

Interludium

Es ist aber auch ein Ort um die Arbeits- und Verhaltensweisen anderer Unternehmer und Unternehmen zu beobachten und daran Teil zu haben. Das kann extrem spannend sein. Sowohl im negativen, wie im positiven. Zum Beispiel dass einfachste Prozesse und Kommunikationswege unnötig verkompliziert werden um entweder

  • A) sich von der Masse abzuheben
  • B) “modern und fancy” rüber zu kommen

oder sich selbst nicht richtig mit den Prozessen und Kommunikation auskennen und einfach irgendwelche Begriffe übernehmen, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurden und so für mächtig Verwirrung sorgten.

Das ist extrem Schade weil dadurch viel Zeit verloren geht und dies auch viele Menschen davon abhält diese Prozesse mit Freude zu verfolgen oder sich dazu zu äußern. Ein Austausch und die Kommunikation werden unabsichtlich torpediert weil man im guten Glauben war “dass man das so macht” oder eben “wir wollen das anders machen”.

Akte

Im Laufe der letzten Wochen habe ich in einem Space eine junge Frau dabei unterstützt einen neuen Job zu bekommen. Sie ist UX/UI Designerin, hat ihr Studium abgeschlossen und der aktuelle Vertrag läuft aus. Als wir uns bei einem von dem Space ausgerichteten Netzwerk-Event kennen lernten, fragte ich sie ob sie es schon bei einem der Firmen im Space versucht hätte. Ich wusste zu dem Zeitpunkt bereits dass mindestens 2 Firmen UX/UI Designer*innen suchen.

Sie sagte ja, sie habe bereits bei den hier eingemieteten Firmen auf der Webseite nachgeschaut um zu sehen ob passende Stellen ausgeschrieben sind oder nicht. Sie hätte aber keine Ausschreibungen für UX/UI Designer*innen gesehen. Daher wird sie sich wohl woanders umschauen müssen.

Am Folgetag habe ich mit einem der CEOs gesprochen, die mir vor kurzem mitteilte dass in ihrem Unternehmen UX/UI Designer*innen gesucht werden. Ich fragte sie im laufe eines kurzen Kaffee-Plauschs ob sie nun eine*n Mitarbeiter*in gefunden hat und sie verneinte. Die Stellen seien zwar ausgeschrieben aber es gäbe kaum Bewerber*innen.

Ich erzählte ihr dass eine Bekannte bei ihr auf der Unternehmensseite keine entsprechende Stellen gesehen hätte und ich deshalb davon ausging sie habe bereits neue Mitarbeiter gefunden. Die CEO erwiderte dass es daran liegen kann dass sie die Stelle nicht als “UX/UI Designer” ausgeschrieben haben, sondern als “Digital Designer (M/W/D)”.

In diesem Moment erinnerte mich daran, wie oft ich schon gehört hatte dass es ja so wenige qualifizierte Bewerber*innen gibt, der Fachkräftemangel allgegenwärtig ist und das Bewerber*innen es sich so schwer tun sich in die Unternehmen rein zu bewerben. Das Bild wird immer klarer und ich bin mir sicher dass dies nicht die einzige Situation dieser Art ist. 

Interludium Secundum

Eine junge Frau die gerade von der Uni kommt, sich klar als UX/UI Designerin versteht (weil sie genau das Studiert hat), liest eine für exakt ihr Tätigkeitsfeld ausgeschriebene Stelle (ohne es zu wissen) und bewirbt sich darauf…nicht, weil “Digital Designer” etwas völlig anderes ist und sie keine Ahnung hat was ein Digital Designer überhaupt sein soll. Damit geht die Fachkraft für dieses Unternehmen flöten und es bewerben sich natürlich nur Menschen auf die Stelle, die für die geforderte Tätigkeit völlig ungeeignet sind oder glauben Digital Designer zu sein.

Dazu kommt noch sehr oft der Umstand dass viele Personaler es auch einfach nicht besser wissen. Aus lauter Verzweiflung wird dann noch irgendwas woanders rauskopiert oder es wird die erfolgsversprechende Agentur beauftragt die ebenfalls kaum weiß was sie macht. Sie greifen fremde Stellenbeschreibungen auf und der gesamte Stellenmarkt liest sich wie eine große Copy & Paste Saga aus einer weit entfernten Galaxie.

Katharsis

Ist es so schwer? Muss es denn immer komplizierter gemacht werden als unbedingt nötig? Ja, es dauert möglicherweise 2 – 3 Minuten eine individuelle Stellenausschreibung aufzusetzen die in einfachen klaren Sätzen beschreibt wer gesucht wird. Und ja, es ist vollkommen in Ordnung einfach die Berufsbezeichnungen und Titel zu verwenden welche eure Kandidaten kennen. Dadurch wirkt ihr nicht langweilig und öde sondern seriös und man weiß zumindest mal auf was man sich da bewirbt.

Die Position ist nicht klar einer Berufsgruppe zuzuordnen oder es ist etwas gefordert dass nur in Teilen darauf passt? Wunderbar! Nimm die Berufsgruppe die am nächsten dran ist und erkläre die Details im persönlichen Gespräch. Zu Zeitaufwendig? Dann schreib dazu “mit Zusatzqualifikation in…”. Das versteht man für gewöhnlich auch.

Die Stellenanzeige soll sich von der großen Masse abheben? Dein Unternehmen soll hunderte von Zuschriften bekommen von Menschen die den Job auch wirklich wollen? Super! Dann halte sie einfach, übersichtlich und schreibe das Gehalt dazu.

Noch eine Kleinigkeit: Wenn in der Anzeige steht Social-Media-Manager*in oder Content Creator mit Kenntnissen in der gesamten Creative Cloud, insbesondere Photoshop, Illustrator, Indesign, After Effects & Premiere Pro, der Fähigkeit Leads zu generieren, Statistiken Auszuwerten und alle Social Media Präsenzen zu verwalten, dann sucht ihr keine*n Social-Media-Manager*in sondern eine ganze Social-Media-Abteilung.

Addendum

Keep it Simple

Seit meiner Zeit als Nachhilfelehrer, während des Maschinenbau-Studiums und auch später im Beruf war es stets mein Ziel komplexe Zusammenhänge auf einfache, nachvollziehbare Strukturen runter zu brechen und so anderen Menschen Wissen, Produkte und Abläufe näher zu bringen, die sonst keinen Zugang dazu finden.

Genauso sollte es mit Stellenausschreibungen sein. Einfach, übersichtlich und für alle verständlich. 

Eine Ode an die Einfachheit. Und an Coworking-Spaces. Eine einfache Idee, die großes bewirken kann und ohne die es diesen Artikel jetzt wohl nicht gäbe.

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